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Aus der Zeitschrift „journalist – Das deutsche Medienmagazin“, Ausgabe 2/2002
 

Kaisers Diener

Per Bürgerentscheid hatten die Münchner Ende Oktober darüber zu entscheiden, ob die bayerische Landeshauptstadt sich an den Kosten für ein neues Fußballstadion beteiligt. Im Rückblick wird deutlich: Die Medien haben einseitig Stellung bezogen.

Von Thomas Mrazek

„Ja zum neuen Stadion." So empfahl der Slogan der vom FC Bayern München und TSV München 1860 beauftragten PR-Agentur Abold. Die Bürger sollten im Oktober 2001 darüber entscheiden, ob die Landeshauptstadt sich an den Infrastrukturkosten für die neue Sportstätte beteiligt. Neben den beiden Bundesliga-Vereinen befürworteten der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), die Münchner SPD, CSU, FDP, DGB, die bayerische Landesregierung, zahlreiche Verbände, Firmen, die Kammern und andere den kostspieligen Neubau.

Auf der Seite der Nein-Sager fanden sich die Münchner Grünen, die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) und die Freien Wähler, eine Bürgerinitiative und Naturschützer. Schlagkräftigstes Argument der Gegner war die These, dass rund 350 Millionen Euro Steuergelder für ein privat genutztes Stadion ausgegeben werden, dessen wirtschaftlicher Nutzen für die Stadt München äußerst ungewiss sei.

Auch bei den Bürgern überwog laut Umfragen die Skepsis. Bei den Hauptnutznießern eines Stadions, den beiden Bundesligisten, läuteten daher die Alarmglocken. Allen voran Franz Beckenbauer, der Präsident des FC Bayern. Der von manchen Medien gerne als "Kaiser" gehätschelte Ex-Kicker drohte: "Wenn der Stadionneubau scheitert, suchen wir Alternativen außerhalb der Stadt." Obendrein, polterte Beckenbauer weiter, würde München ohne das neue Stadion kein Spielort der Fußballweltmeisterschaft 2006 sein und das renommierträchtige Pressezentrum folglich nicht in der bayerischen Metropole residieren.

Aufklärungskampagne
Andreas Abold, Chef der PR-Agentur Abold, und zugleich ein enger Berater Beckenbauers, wusste den Kaiser zu beruhigen: "Unsere Aufklärungskampagne für den Nutzen eines Stadions und der WM für München steht erst am Anfang." Rund vier Wochen vor dem Abstimmungstermin begann die Kampagne. Münchens Straßen wurden mit Plakaten übersät, Aufkleber und Informationsblättchen an Passanten verteilt, Anzeigen in den Tageszeitungen geschaltet. Rundfunkwerbung indes ließ das Bayerische Mediengesetz nicht zu.

Mit Beginn der PR-Aktion beschäftigten sich auch die örtlichen Medien intensiver mit dem Thema. Einige dieser Medien tauchen überraschenderweise auch in einem internen Papier der PR-Agentur auf. In diesem Papier mit dem Titel "Werbemaßnahmen Bürgerentscheid Neues Stadion Fröttmaning" sind über Wochen die Erscheinungs- und Sendetage redaktioneller Beiträge grob aufgeführt. So heißt es etwa bei Radio Energy: Täglich ca. 3 Prominenten-Sprüche erweitert zum Thema“, „Aktion ‚meet and greet’“ (ein Gewinnspiel, bei dem ein Abendessen mit Franz Beckenbauer als Hauptgewinn ausgeschrieben wurde).

Bei Radio Gong wird es konkreter. Dort vermerkt der Plan: „Diskussionsforen mit aufbereiteten Contra-Stimmen“. Stephan Schmitter, Chefredakteur von Radio Gong, räumt ein: „Eine positive Tendenz für den Stadionbau ist bei uns nicht zu leugnen.“ Und fügt hinzu: „Aber wir haben immer Argumente gegen Argumente gestellt. Meinen Sportredakteuren habe ich aber Freiheit bei der Bearbeitung dieses Thema gelassen, schließlich müssen die ja im Olympiastadion immer frieren.“ Sachgerechte Kritik am Stadionprojekt? Fehlanzeige. Der zum Kirch-Konzern gehörende Fernsehsender TV.München warb sogar mit dem offiziellen PR-Logo „Ja zum neuen Stadion.“ Nicht verwunderlich, dass eine Moderatorin versehentlich einen Bericht zur Wahl „für das neue Stadion“ ankündigte.

Nicht so schlimm
Die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM) nimmt daran kaum Anstoß. Auf Grund einer Anfrage des joumalist forderte sie zwar von allen Münchner Hörfunksendern sowie von Antenne Bayern eine "Aufstellung über die Berichterstattung zur Stadionfrage". Aber es habe sich herausgestellt, "dass allein die Berichterstattung von Radio Charivari als problematisch anzusehen ist", teilte Pressereferent Wolfgang Flieger mit. "Radio Charivari hat in seiner Berichterstattung mehrfach die Hörer mittelbar und unmittelbar dazu aufgefordert, am Wahltag für das neue Stadion zu stimmen." Eine Anhörung des Senders steht noch aus.

Sonderlich aufmerksam war die Aufsichtsbehörde nicht: Auf der offiziellen Pro-Stadion-Website der Agentur Abold erscheint die BLM neben weiteren Medien als offizieller Unterstützer. Flieger: „Der Landeszentrale war zu keinem Zeitpunkt bewusst, dass sie auf den Internet-Seiten der Stadionbefürworter als Unterstützer genannt wird.“ Der Eintrag existierte freilich bis
Redaktionsschluss immer noch (www.muenchenstadion.de/inhalt/teamgeist.php). "Wir unterstützen den Bau des neuen Stadions", heißt es da. Ein Credo, dass sich auch "Bild", "Abendzeitung" und "tz" zu Eigen machten.

In den letzten zwei Wochen vor der Abstimmung fand sich kaum ein kritisches Wort zum Thema Stadion-Neubau. Statt dessen schürten die Artikel täglich Ängste für den Fall eines "Neins" und wiederholten gebetsmühlenhaft die vermeintlichen Vorzüge: "Schicksalsfrage für München", ("Abendzeitung" vom 15. Oktober); "Das neue Stadion macht München reicher" ("tz" vom 17. Oktober). Ungeniert wurden die Beiträge häufig mit dem offiziellen Logo der PR-Kampagne garniert; Prominente nahmen positiv Stellung.

Botschaft verstanden
Am Samstag vor der Wahl appellierte die "Abendzeitung" in ihrem Aufmacher: "Stoiber, Ude, Beckenbauer bitten: Münchner, blamiert uns nicht!" Aber die Münchner hatten die Botschaft längst verstanden: 65,8 Prozent votierten im Sinne des Kaisers und seiner Gehilfen. Am Tag nach der Wahl (22. Oktober 2001) gaben sich die Boulevardzeitungen euphorisch: "Superstadion wird gebaut: Riesen-Sieg für Kaiser Franz" ("Bild“); "JA!" ("Abendzeitung"), "München sagt zum Stadion Ja" ("tz"). In den Jubelchor stimmte auch die PR-Agentur Abold ein ? mit ganzseitigen Vierfarb-Anzeigen in "Abendzeitung" und "tz" und einer ganzseitigen Schwarzweiß-Anzeige in der "Bild": "Wir sagen Danke!".

Unbehagen erzeugte diese neue Art von Journalismus indes bei zwei Redakteuren von Münchner Boulevardzeitungen; sie wollten nicht namentlich genannt werden. "Die Berichterstattung war in den letzten zwei Wochen vor der Wahl völlig anders. Aber ich war ausführendes und nicht bestimmendes Organ und habe mir das Konzept nicht ausgedacht." Der andere meinte: "Wenn der Chefredakteur die Richtung vorgibt, dann müssen wir das halt auch so machen." Annette Knote, Stadiongegnerin von der ÖDP, bestätigt: "Einige Redakteure haben uns gesagt, dass sie trotz gegenteiliger Meinung zu dieser Art von Journalismus durch eindeutige Direktiven gezwungen waren."

Nichts Anrüchiges am Verhalten der Medien findet indes Andreas Abold: "Die Medien berichteten sehr positiv für uns. Es lag in deren Interesse, dieses Thema so zu begleiten. Schließlich geht es um die Darstellung des Medienstandorts München." Hoch zufrieden äußerte sich auch Karl-Heinz Wildmoser (TSV 1860): "Presse und Rundfunk haben sehr gut über das neue Stadion aufgeklärt. Erst als die Verbände sich eingeschaltet haben, wurde etwas einseitig berichtet." Zu keiner Stellungnahme bereit waren die Vereinsspitzen des FC Bayern: Beckenbauer und Manager Uli Hoeneß.

Verärgert waren die Verlierer des Bürgerentscheids. Siegfried Benker, Fraktionschef der Grünen im Münchner Rathaus: "Es war den Gegnern des Stadions nicht möglich, ihre Argumente auch nur ansatzweise objektiv in den Medien zu transportieren. Wenn das Wort nicht so vorbelastet und anrüchig wäre, müsste man von einer ‚Gleichschaltung' reden."

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Zur Erinnerung hier ein Textauszug aus der Solarstadion-Indexseite:

Zur Sache Olympiastadion sollten sich alle Beteiligten endlich überlegen, weshalb ein wirtschaftliches Unternehmen, nämlich die Olympiapark München GmbH (OMG) seine hervorragende und viel Geld werte Stellung auf dem Markt von Großveranstaltungen in München an ausziehende Mieter verschenken soll. Welcher betriebswirtschaftlichen Lehre entspricht ein Stadion von FC Bayern / TSV 1860 in Fröttmaning -  in Konkurrenz zum Olympiastadion?
Wir von www.solarstadion.de sprechen hier ganz bewusst vom Verschenken des Stadionmonopols.  Mit modernem Marketing hat dies absolut nichts zu tun, sondern, u.E., mit dem Versuch einer
verantwortungslosen Sozialisierung der Verluste und einer Kapitalisierung der Gewinne jener, die unersättlich sind bzw. wegen selbst geschaffener Rahmenbedingungen unersättlich sein müssen: weil sie sich auf den Teufelskreis "Wettbewerb um jeden Preis" eingelassen haben. Hohe Spielergehälter für hohe Leistungen erfordern hohe Medieneinnahmen zur Finanzierung hoher Spielergehälter usw. Hierzu braucht man die Gelddruck-Maschine eines eigenen Stadions.

Wenn selbst Fußballmanager diesen Teufelskreis beklagen, dann sollten sie sich auch entsprechend verhalten und nicht immer noch mehr von der Gesellschaft fordern!

Ein modernes, also soziales und umweltgerechtes Marketing im großen, bewährten Rahmen unserer sozialen Marktwirtschaft ist hier nach unserer Auffassung nur dann gegeben, wenn ein neues Stadion  unter Beibehaltung des Stadionmonopols der Landeshauptstadt München (LHM) gebaut wird - wegen des Bestandschutzes für das Olympiastadion! Da München aber innerhalb der Stadtgrenzen keinen wirklich geeigneten und von der Bevölkerung akzeptierten Standort vorweisen und das Problem schon wegen der Kosten nicht alleine schultern kann, ist ein Joint Venture angesagt. So, wie wir es mit dem Solarstadion-Konzept vorgeschlagen haben. Sehen wir es doch einmal so: München bekommt sein Trinkwasser aus dem Oberland, hat seinen Airport im Erdinger Moos, bezieht einen Großteil der Energie aus Ohu und kooperiert bei S- und U-Bahn mit der Region. Es ist grundsätzlich nicht einzusehen, warum da ein neues Stadion nicht einen Kilometer außerhalb der Stadtgrenze liegen darf - auf dem bestens erschlossenen und seit Jahrzehnten kaum benutzten  Sportgelände der Bundeswehr-Uni in Neubiberg.
Auf der Suche nach potenziellen Partnern für ein Joint Venture wird sich jedes Unternehmen, also auch München mit seiner OMG, zunächst darum zu kümmern haben, ob diese Partner zu den eigenen Zielen und Aufgaben kompatibel sind. Anders ausgedrückt: Wegen der Sozial- und Umweltpflichtigkeit kommen als Teilhaber für einen Stadionneubau durch die LHM zunächst mal andere Kommunen oder staatliche Einrichtungen, der Freistaat Bayern, die Bundesrepublik und deren Bürger in Frage. Und dann erst kommen die bisherigen Mieter und ggf. andere dran.
Zu obigen Problemkreisen, die hier nur kurz umrissen werden konnten, kommen dann noch die geschichtliche Verantwortung Münchens, der Denkmalschutz, die Infrastruktur, die Verpflichtung zur Verwirklichung der Agenda 21 (bisher überhaupt noch nicht diskutiert!), die parteipolitischen Auseinandersetzungen und vieles andere mehr. Besonders aber die Frage: Wie wird die Ressourcenlage der Welt sein, wenn das neue Stadion einmal so alt ist, wie es das "Oly" heute ist. Ein neues Stadion sollte, basierend auf dem Fundament der geschichtlichen Erfahrung, für eine vernünftige, vernetzt durchdachte Zukunftsgestaltung gebaut werden. Und dafür war übrigens der Name des von FCB und TSV 1860 für die Standortsuche gewählten Architekten u.E. nicht geeignet, weil dieser Name hier in der ehemaligen Hauptstadt der Bewegung besonders für jene, die unter dem Nazi-Regime gelitten haben und heute noch leiden, finstere Erinnerungen weckt. Dies hat nichts mit der Person des Architekten selbst und dessen Eignung zu tun, sondern mit der Außenwirkung eines belasteten Namens. Für den kann der Architekt nichts, für seine Instinktlosigkeit, an einem Konkurrenzstadion zur deutschen Demokratie-Ikone Olympiastadion mitzuwirken jedoch schon.

Die jahrelange Standortsuche glich einem Herumirren im Nebel. So besehen wäre Fröttmaning der symptomatische Endpunkt. Dieser Stadtteil hat nämlich bei entsprechenden Wetterlagen dreimal soviel Nebeltage als die südliche Sonnenseite Münchens mit seinem Alpenpanorama! Doch Fröttmaning ist auch mit seinen Müllbergen, Klärbecken und Entsorgungsanlagen und Gewerbegebieten schon genug benachteiligt.  Fröttmaning ist also - nicht nur wegen der teuersten Infrastrukturmaßnahmen - in jeder Hinsicht der denkbar schlechteste Standort für ein Stadion.

Abschließend noch ein Wort  zum Umweltschutz:  Die Vereinten Nationen haben die Sportler der Welt dazu aufgerufen, sich für den Umweltschutz einzusetzen. München hat hier eine besondere Verpflichtung, denn das Unheil des Zweiten  Weltkrieges ist in dieser Stadt herangewachsen. Dieser Krieg war auch für die Natur eine Katastrophe - von Menschen gemacht und noch viele Jahrzehnte spürbar! Die Botschaft von 1972 hieß Völkerverständigung. Diese Botschaft  muss erneuert und entsprechend den Erfordernissen der zukünftigen solaren Weltwirtschaft ergänzt werden. Dies kann nur ein neues Stadion in solarer Bauweise bewirken, das neben einem organisatorischen und finanziellen Beitrag zur Erhaltung des Olympiastadions (das  weiterhin Veranstaltungen haben wird!) auch einen vorbildlichen Beitrag zur globalen Energiewende leisten muss.

Wenn im Jahre 2006 an die 3.000.000.000 Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern, politischen Systemen und Kulturen zum WM-Eröffnungsspiel nach München  blicken, dann werden sie sehen, dass diese Stadt sich auf ihre eigene Geschichte besonnen und ernsthaft bemüht hat, die Philosophie der Demokratie-Ikone Olympiastadion fortzuschreiben - mit diesem neuen, der Sonne zugewandten, der Natur und allen Menschen dienenden Solarstadion.

M&S Stoehr