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Münchens bedeutendster Beitrag zur Architektur des 20.  Jahrhunderts

Ensemble Olympiapark und Stadion

Von Generalkonservator Prof. Dr. M. Petzet

Luftaufnahme: CD-ROM "D-SAT 2" von TopWare

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Auszug aus der Denkmalliste vom 19. März 1998: Stadt München. Ensemble Olympiapark

Entnommen aus DENKMALPFLEGE INFORMATIONEN Ausgabe B Nr. 110 / 28. Mai 1999


Ensemble Olympiapark. - Umgrenzung: Der Bereich, der durch die Landshuter Allee im Westen, die Trieb- und Moosacher Straße im Norden. die Lerchenauer Straße im Osten sowie die Fluglinie des Olympiabergs und den Verlauf des Nymphenburg-Biedersteiner Kanals im Süden eingegrenzt wird, beschreibt ein Ensemble von geschichtlicher, künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung. Es enthält in einem künstlich gestalteten Landschaftspark, unter dem Wahrzeichen des Olympiaturms. die zur Ausrichtung der XX. Olympischen Spiele 1972 angelegten Sportstätten nebst den zugehörigen Nebeneinrichtungen und Verkehrsanlagen, sowie das Olympische Dorf. (...)

Die weite Ebene des Oberwiesenfelds im Nordwesten Münchens wird vom Nymphenburg - Biedersteiner Kanal, einem Teilstück des um 1700 angelegten, die Residenzschlösser Kurfürst Max Emanuels miteinander verknüpfenden Kanalsystems, in west-östlicher Richtung schräg durchzogen. Die Fläche, die seit dem späten 18. Jh. als Exerziergelände für die Garnison diente, wurde später als Flugfeld genutzt und war von 1929 bis zur Eröffnung des Flughafens Riemen 1939 Standort des ersten Münchner Verkehrsflughafens. Nach der Zerstörung Münchens im Zweiten Weltkrieg bot sich das ausgedehnte Areal in Stadtnähe zur Aufnahme des Räumungsschutts an: hier wuchs zwischen 1947 und 1958 südlich des Kanals der - nach den Endkippen in Neuhofen und im Luitpoldpark - dritte und umfangreichste Schuttberg Münchens in die Höhe, der, besonders nach seiner Begrünung, dem bis dahin ungegliederten, heideartigen Flachgelände einen neuen Charakter gab. Das Gebiet war im Flächennutzungsplan von 1965 als Erholungszone ausgewiesen und nahm zunächst nur vereinzelte, planlos verteilte Architekturen öffentlichen Charakters auf: die formal anspruchslose Eissporthalle(l966-67 von Rolf Schütze) und den Fernmeldehochturm der Bundespost (1965-68), der nachträglich zum Wahrzeichen der olympischen Anlagen erhoben wurde und die Bezeichnung „Olympiaturm" erhielt. Außerdem war geplant, Teile der Freifläche für eine Hochschulsportanlage und für den noch fehlenden nordwestlichen Abschnitt des im Entstehen begriffenen ,,Mittleren Rings" zu nutzen. Die einer großzügigen Neuplanung offene Verfügbarkeit des weiträumigen Geländes und seine Nähe zur Stadtmitte waren für die Vergabe der XX. Olympischen Spiele nach München 1966 mit ausschlaggebend. Die Gewinnung der Spiele für die Stadt bot umgekehrt die Möglichkeit, sie mit bisher noch fehlenden Infrastruktur-Einrichtungen (großmaßstäbliche Sportstätten, U- und S-Bahn) auszustatten. Aus dem 1967 durchgeführten Architektenwettbewerb zur Gestaltung der olympischen Sportstätten ging Günther Behnisch mit seinen Partnern als Sieger hervor. (···)

Das von Günther Behnisch für die Hauptsportstätten entwickelte, übergeordnete Gestaltungskonzept geht von der künstlichen Landschaftsform des Schuttbergs aus, der das Gelände im Süden weitgehend gegen die Stadt abschirmt. Seine zufällige Haldenform wird zum Leitbild für die Anlage. Sie erfährt variierende Wiederholungen in nach Norden abnehmender Staffelung: der Nymphenburg- Biedersteiner Kanal ist am nördlichen Abhang des Schuttbergs zu einem See aufgestaut, dessen unregelmäßiger Uferverlauf die Kurven der Bergfußlinie widerspiegelt; jenseits des Sees ist als Antwort darauf eine weitere künstliche Aufschüttung geschaffen worden, an die sich die großen Sportkampfstätten anlehnen: Stadion, Sport- und Schwimmhalle sind wiederum durch ein zusammenhängendes Zeltdach miteinander verknüpft, dessen bewegte Gestalt ihrerseits an naturhafte Haufenformen erinnert; nach Norden bilden auf Dämmen geführte Verbindungswege zu den weiteren Teilen der Anlage und zum Olympischen Dorf den Ausgleich zur Fläche der natürlich gewachsenen Landschaft, wobei Brücken über die trennende Schneise des Mittleren Rings hinwegführen Die T-förmigen Hauptlinien dieser Dammwege bündeln sich gegenüber dem zwischen Stadion und Sporthalle liegenden Haupttor zum Bereich der Sportstätten, das über die breit angelegte Hanns-Braun-Brücke erreicht wird. Der in gerader Fortsetzung der Brücke nach Norden ausgerichtete Zweig dieses Wegenetzes spaltet den nördlichen Teil des Olympia-Geländes in zwei Hälften, deren östliche das Olympische Dorf einnimmt. (···)

Die Hauptsportkampfstätten - das Stadion, die große Sporthalle (die sog. Olympiahalle) und die Schwimmhalle - sind in triklinienförmiger Anordnung um die künstliche Geländeaufschüttung jenseits des aufgestauten Olympiasees gruppiert. Zur architektonischen Leitform ist das einprägsame, die Bauaufgabe übergreifend versinnbildlichende Motiv der gestuften Theaterränge erhoben: die Geländeaufschüttung öffnet sich nach Süden zur Wasserfläche in einem gestaffelten Halbkreis und umgreift in einer kleineren Wiederholung ein eigenes kleines Theatern mit Seebühne; Stadion und Sporthalle sind jeweils als offene und als geschlossene, ovaloide Amphitheater konzipiert, während die Schwimmhalle nur einseitig Zuschauerränge aufweist. Alle drei Sportkampfstätten sind jeweils mit einer Langseite in die Geländeaufschüttung einmodelliert, sodaß ihre volle Größe jeweils nur auf ihrer Außenseite erlebbar wird: das Stadion mit den Substruktionen seiner Westtribüne, die Hallen jeweils mit hohen Stahl-Glas-Wänden. Innerhalb des Trikliniums der Sportkampfstätten bildet die Geländeaufschüttung ein zentrales, als Freiluftfoyer fungierendes Planum (Coubertin-Platz), dessen Reiz darin liegt, dass es nur andeutungsweise durch das Gebaute definiert wird und sich völlig frei der Parklandschaft öffnet. Über den Sportstätten baut sich das charakteristische, von mächtigen Pylonen gestützte Zeltdach auf, das auf statische Berechnungen von Fritz Leonhardt und Wolfhard Andrä zurückgeht und nicht nur in gestalterischer, sondern auch in technischer Hinsicht eine Pionierleistung darstellt. Die vorgespannte Seilnetzkonstruktion, die eine Dachhaut aus durchsichtigen Acrylplatten trägt, also als ,,Dach ohne Schatten" konzipiert ist, hebt über der Südkurve des Stadions an; sie überdacht dessen hochragende Westtribüne mit sich regelmäßig wiederholenden Sattelschwüngen, setzt sich dann mit einzelnen Feldern nach Osten fort und betont mit einer weit abgespannten Zunge das zwischen Stadion und Sporthalle sich öffnende Haupttor; sie überdeckt anschließend das gesamte Oval der Sporthalle, beschirmt eine zweite Torsituation zwischen Sport- und Schwimmhalle und endet über der letzteren in einer von einem einzelnen Pylon gestützten, aufschwingenden Spitzform. (···)

Der Olympiapark zeichnet sich durch seine bewußte Abkehr von jeglicher Monumentalität aus, zu der die besondere Bauaufgabe leicht hätte verleiten können. Die Slogans der XX. Olympischen Spiele (,,Olympische Spiele im Grünen ,,Olympiade mit menschlichem Maßstab", ,,Olympiade der kurzen Wege") haben hier auf überzeugende Art Gestalt angenommen. Darin und in der herausragenden Qualität seiner Einzelarchitekturen ist er über seine Bedeutung für München hinaus ein wichtiges Zeugnis für den Geist der Bundesrepublik vor 1972. Nach den Olympischen Spielen gingen die mitgeplanten Umnutzungen reibungslos vonstatten (Sportstätten, Wohnanlage, Studentenstadt, Erholungspark). Bereits im Frühjahr 1997 wurde das Olympiastadion als Einzeldenkmal vorgeschlagen, dem der Landesdenkmalrat in seiner Sitzung vom 15. September 1997 zustimmte. Das Landesamt für Denkmalpflege hatte sich deshalb auch bereits angesichts der öffentlichen Diskussion über den Umbau des Olympiastadions zu einer Fußballarena mit seinem Brief vom 23. November 1998 an den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Christian Ude, zum Thema geäußert:


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Ude,

gestatten Sie mir, dass sich das Landesamt für Denkmalpflege in der derzeitigen Debatte um den geplanten Umbau des Olympiastadions zu Wort meldet.

Ich denke, es erübrigt sich, an dieser Stelle eine detaillierte architekturgeschichtliche Würdigung des Olympiageländes und der Sportstätten abzugeben. Wir sind vermutlich einig in der Auffassung, dass es sich beim Olympiagelände um Münchens bedeutendsten Beitrag zur Weltarchitektur des 20. Jahrhunderts handelt. Das Zeltdach von 1972, die offene, leichte und transparente Erscheinungsweise der Stadien gehört zu den wenigen Beispielen moderner Architektur in der Bundesrepublik, mit denen man bis heute geradezu symbolhaft die Vorstellung des freien und demokratischen Nachkriegsdeutschland in Verbindung bringt. In dieser Bedeutung standen die olympischen Spiele 1972 im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Der internationale Rang der Anlage wird aber auch dadurch deutlich, dass die zugrunde liegende architektonische Idee, nämlich mehrere Sportarenen in eine künstlerisch modellierte Landschaft einzubetten, die Vorstellung der modernen Sportstätte bis heute beeinflußt. Gerade die programmatische Abkehr von der monumentalen Wettkampfarena darf als wesensprägendes Merkmal der Gesamtanlage bezeichnet werden.

Bezeichnenderweise hat der Bayerische Landesdenkmalrat vor wenigen Monaten beschlossen, das gesamte Olympiagelände als Ensemble und die Hauptsportstätten sowie den Olympiaturm als Einzelbaudenkmäler nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz aufzufassen.

Nun soll das Kernstück der Gesamtanlage, das Olympiastadion, zu einer Fußballarena umgebaut werden. Es ist das Ziel, mehr überdachte Sitzplätze und eine steilere Anordnung der Ränge zu schaffen. Dagegen artikuliert sich ein immer stärker werdender öffentlicher Widerstand und auch das Landesamt wird mit Anfragen überschüttet und mit Aufforderungen, sich zu den Planungen zu äußern. Leider ist uns die jetzt diskutierte Planung, aber auch die dem Vernehmen nach vom Büro Behnisch erstellten weiteren Planungsvarianten nicht bekannt gemacht worden. Auf verschiedene entsprechende Anfragen ist von seiten der Unteren Denkmalschutzbehörde auf die Beteiligung des Landesamts für Denkmalpflege ,,im Zuge des Verfahrens" verwiesen worden, auf einen Zeitpunkt also, zu dem die Entscheidungen bereits gefallen sein dürften.

Auch wenn die unterschiedlichen Zielvorstellungen zwischen der Landeshauptstadt München als Eigentümerin der Sportanlage, der Betreibergesellschaft Olympiapark GmbH und den Bundesligavereinen als Hauptnutzern des Stadions noch nicht restlos geklärt sind, scheint sich die ,,radikalste" von offenbar mehreren Varianten als Diskussionsgrundlage herauszukristallisieren. Professor Behnisch hat uns mit diesem Vorschlag leider in nicht geringe Verlegenheit gebracht. In der Tat zeigen die Darstellungen dieser Variante deutlich, dass das Motiv einer aufgeständerten Gegentribüne wohl kaum mit der Architekturauffassung des Stadions und mit der Maßstäblichkeit des zentral gelegenen Coubertin-Platzes in Einklang zu bringen ist. Die prägnante, weiche Silhouette des Zeltdachs wird durch die Tribüne und die neue Überdachung beeinträchtigt, die Signifikanz der Gesamtanlage wird damit erheblich gestört.

Ich möchte gar nicht darauf eingehen, dass dieser Entwurf nach den gängigen Beurteilungskriterien der Denkmalpflege eigentlich indiskutabel ist: Mindestens zwei Drittel des derzeitigen Volumens müßten neu gebaut werden. Die Form der flachen, leicht geneigten Schüssel soll einer kesselartig steilen Arena weichen. Der Blick aus dem Stadion wird verstellt; die Ansicht des Zeltdachs überschnitten. Die Gesamtanlage wird dadurch jedenfalls so sehr gestört, dass das Vorhaben in der vorgestellten Form mit dem Wesen und der künstlerischen Wirkung des olympischen Areals in keiner Weise in Einklang zu bringen ist.

Was vermutlich stärker zählt, ist das Argument, dass die funktionalen Anforderungen an eine Fußballarena nach dem Vorbild von Paris, Barcelona oder Amsterdam auch durch die ,,radikalste" Variante des Umbaus nicht erfüllt werden können. Ein ,,Dampfkessel", wie der neue Stadiontyp genannt wird, wird aus dem Olympiastadion nie. Inwieweit vor diesem Hintergrund die geschätzten Gesamtkosten in Höhe von 400-500 Millionen DM zu rechtfertigen sind, sei dahingestellt. Ohne die Zukunft des Sports in seiner gesellschaftlichen Dimension bewerten zu wollen, darf doch festgehalten werden, dass in den vergangenen 25 Jahren das Olympiastadion für Sportveranstaltungen verschiedenster Art bestens funktionierte. Hier fanden nicht nur große internationale Leichtathletikveranstaltungen statt, sondern auch große Fußballspiele: Der FC Bayern wurde im Olympiastadion immerhin zwölf Mal Deutscher Meister, drei Mal Deutscher Pokalsieger und holte drei Mal den Europacup der Landesmeister. Dennoch wird plötzlich bemängelt, dass das Olympiastadion kein reines Fußballstadion im Sinne eines ,,Dampfkessels" sei. Das mag vielleicht stimmen, es ist aber mit Sicherheit auch kein Stadion, das erfolgreichen Fußball verhindert!

In einem Fall wie dem Olympiastadion, das als Kernstück des Olympiageländes weit über den Denkmalschutz hinaus zu den großen kulturellen Leistungen Münchens, Bayerns und Deutschlands zählt, müßten eigentlich auch die übergeordneten Gesichtspunkte einer verantwortungsbewußten Kommunalpolitik eine ausschlaggebende Rolle spielen. Kann es falsch sein, sich angesichts knapper öffentlicher Mittel mit dem zufrieden zu geben, was nachweislich gut funktioniert? Natürlich hat auch das Landesamt für Denkmalpflege ein großes Interesse daran, dass das Olympiastadion möglichst in seiner ursprünglichen Funktion als Sportstätte erhalten bleibt. Sind Veränderungen nicht zu umgehen, sollten sie doch wenigstens den Gesamtcharakter wahren und die künstlerische Wirkung des Baudenkmals nicht beeinträchtigen. Inwieweit die anderen, vom Architekturbüro Behnisch entwickelten Varianten dazu in der Lage sind, entzieht sich unserer derzeitigen Beurteilung. Es wäre daher wünschenswert, diese Varianten zur Kenntnis und Stellungnahme zu erhalten. Auch würde das Landesamt z. B. einer Komplettierung des Stadions im Sinne der Pläne von 1970 - damals aus finanziellen Gründen hintangestellt -, das heißt Plänen mit einer Überdachung der Osttribüne in Form einer zusätzlichen ,,Zeltkonstruktion", zustimmen können. Dies mag ein Hinweis darauf sein, dass ich eine angemessene Veränderung durchaus für möglich halte, wenn der Gesamtcharakter der Anlagen erhalten bleibt.

Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, wenn Sie erwirken würden, dass das Landesamt jetzt möglichst bald und im Vorfeld weiterer Diskussionen Gelegenheit erhält, sich mit den Planungsvarianten auseinanderzusetzen.

Mit den besten Grüßen bleibe ich Ihr

Prof. Dr. Michael Petzet (Generalkonservator)

 

  

   > Gottfried Knapp:  Die Quadratur der Schüssel  (SZ-Feuilleton 24. 11. 1998)

   > Gottfried Knapp:  Ein stählernes Gebiß  (SZ-Feuilleton 14. 12. 1998)

   > Die Presse-Info der Bayerischen Architektenkammer 11/1998 (Bitte Ladezeit abwarten)

   > Die Presse-Info der Bayerischen Architektenkammer 01/2000 (Bitte Ladezeit abwarten)

   > Die Resolution des Initiativkreises Olympiapark (Bitte Ladezeit abwarten)

 

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