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Rettet das schönste Stadion der Welt!

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Die Quadratur der Schüssel

Ein stählernes Gebiß

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Ein stählernes Gebiß

Wie München den weltberühmten Olympiapark zerstören will

(Erschienen im SZ-Feuilleton vom 14. 12. 1998  Copyright: Gottfried Knapp)

Es begab sich aber zu der Zeit, da Edmund Stoiber Landpfleger im Alpenstaat war. Da machten sich auch die Heiligen Drei Könige wieder einmal auf, um den neugeborenen König zu suchen. Sie hießen Kaspar Ude, Melchior Beckenbauer und Balthasar Wildmoser und hatten sich im Leben eigentlich wenig zu sagen. Doch als sie das Kind in der Krippe sahen, wurden sie hoch erfreut. Zwar war die Krippe eigentlich ein Leichtathletikstadion, und das Kind so hart und häßlich wie eine Lederkugel, doch die Heiligen Drei Kaiser und Könige fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm eine knallrote FCBayern-Windel, eine Eintrittskarte für die Sendung "ran" und 200 kreuzfidele Hooligans. Doch sie sollten nicht glücklich werden mit ihrer Weihnachtsbescherung. Denn genau die Leute, auf die sie sich bisher am besten verlassen konnten, empfanden dieses Kind in dieser Krippe als eine schaurige Mißgeburt.

Seit bekannt ist, daß die Stadt München in einem panikartigen Willkürakt das bedeutendste Monument ihrer bürgerlichen Geschichte bis zur Unkenntlichkeit entstellen, und mit öffentlichen Mitteln eine funktionierende Sportstätte in ein privates Kommerzzentrum umbauen will, sammeln sich die Gegner in den unterschiedlichsten Gruppierungen. Da gibt es auf der einen Seite die in Clubs organisierten friedlichen Fußball-Fans, die sich ihren Stammplatz in der Kurve viel kosten lassen: Sie wissen, daß sie bei dem Kuhhandel zwischen Stadt und Fußball-Managern betrogen werden, daß auch eine halbe Milliarde ihnen nicht zu einem sicheren Dach und zu einer guten Sicht im Stadion verhilft. Sie sind erbitterte Gegner des faulen Kompromisses.

Und da sind die Figuranten des Münchner Kultur- und Geisteslebens, die Christian Ude für einen vergleichsweise intelligenten, musisch empfänglichen und gerade in Architektur-Fragen engagierten Oberbürgermeister gehalten haben; sie müssen nun mit ansehen, wie dieser Mann klammheimlich Kulturwerte von Weltrang aufs Spiel setzt.

Tatsächlich ist die Methode, mit der die Stadtspitze ihre völlig ungeprüften Pläne an den Bürgern vorbei durchdrücken will, in ihrer Dreistigkeit ziemlich ohne Beispiel. Aus Angst, daß sich Widerstand regen könnte, sind die Folgen des Stadion-Umbaus strikt verheimlicht worden. Grund für die Hektik der heutigen Olympia-Verweser ist die reichlich vage Hoffnung, daß Deutschland die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und München dabei ein paar Spiele zugesprochen bekommen.

Die Stadt läßt sich also unter Druck setzen durch ein Phantom und riskiert dabei, daß ihr ein anderes sportliches Weltereignis, das schon fest gebucht ist, wieder weggenommen wird. Im Jahr 2002 soll die Leichtathlethik-WM in München stattfinden. Doch wenn das Olympiastadion jetzt fußball- und kommerzgerecht umgebaut wird, ist es für die Ur-Sportart kaum mehr zu gebrauchen. Es könnte also die höchst blamable Situation eintreten, daß München, wie es andern Städten schon passiert ist, eines der magischen Ereignisse des Sportjahrzehnts entzogen bekommt, weil es sein Stadion für ein anderes Medienspektakel umgebaut hat, das am Ende aber ganz woanders über die Bühne geht.

Auch die aufwendigsten Umbau-, Absenkungs- und Überdachungsmaßnahmen werden aus dem Olympiastadion keine perfekte Fußball-Arena machen. Warum also hat das Planungsreferat der Stadt nicht konsequent nach Alternativstandorten für ein Fußballstadion gefahndet? Daß in den Monaten der peinlichen Geheimhaltung alle Möglichkeiten geprüft worden sind, kann uns niemand weismachen. Es war wohl eher so, daß der mit den Fußball-Hoheiten ausgehandelte Finanzierungs-Kompromiß nicht gefährdet werden sollte, ein Alternativ-Bauplatz also auf keinen Fall gefunden werden durfte. Also hat man vorsichtshalber gar nicht erst gesucht.

Einen beträchtlichen Teil der Schuld an dem fatalen Kompromiß trägt Günter Behnisch, der seine ehemaligen Planungspartner auf ziemlich unschöne Art hinters Licht geführt und durch sein charakterloses Taktieren die Illusion, daß das Stadion ohne Verluste umgebaut werden könne, überhaupt erst in die Welt gesetzt hat. Es tut weh, wenn man mit ansehen muß, wie ein Großer der deutschen Nachkriegs-Architektur sich selbst demontiert. Noch vor einem Jahr hat Behnisch über die Umbaupläne deutliche Worte gefunden: ,,Die vorhandenen Dimensionen würden durch eine solche Superarena gesprengt. Das Wesentliche des Olympiaparks würde gestört, ich nehme an: zerstört. Wollte der FC Bayern versuchen, im Olympiastadion eine ,Amsterdam-Arena' unterzubringen, müßten wir uns dagegenstellen. Ich hoffe, wir werden dann nicht die einzigsten sein, die sich wehren." Nein, Herr Behnisch, Sie sind nicht der einzige, der sich dagegenstellt, Sie sind der einzige, der sich gegen Behnisch stellt, der sein eigenes Werk torpediert und nun, wo scheinbar Eile geboten ist, die Taschen so weit aufhält, daß es zum Himmel stinkt.

Zu dieser Anbiederungstaktik gehören auch die vielen kleinen Maßstabs-Mogeleien, die Behnisch in seinem Umbau-Modell versteckt hat. Da sind die geforderten Vip-Garagen und Luxuseinrichtungen gar nicht erst ausgeführt. Doch auch ohne sie wächst sich der leicht kurvierte Logenriegel über der offenen Ostseite (unser Bild) zur Staumauer aus. Ein Koloß, der sehr viel länger und höher wäre als die Alte Pinakothek, würde sich im Herzen der Olympiaanlage quer durch das sanft wogende Auf und Ab der Hügel schieben, brutal wie ein stählernes Gebiß im Gesicht einer schönen Frau. Auch die offenen Durchlässe unter den Logen sind schlichte Fiktion: Der Durchzug, den sie auslösen, macht aus dem Stadion endgültig ein Windloch.

Behnisch hat offenbar vergessen, daß sein Olympiateam schon 1972 eine schwebend leichte Überdachung der offenen Ostseite bis ins Detail ausgearbeitet hat. Wie ein leises Echo hätte der Ableger auf den kräftigen Schwung des Zeltdachs gegenüber geantwortet. Die Fundamente dafür sind schon betoniert. Mit vergleichsweise geringem Aufwand ließe sich also ein schmiegsames Dach über die freie Seite des Stadions spannen. Das offene Cabrio müßte nur zugezogen werden. Die nötigen Zuschauerlogen könnten dann so in die Breitseiten der Stadionschüssel integriert werden, daß die umgebende Olympialandschaft in ihrem organisch weichen Schwung nicht beschädigt würde. Den Fußball-Fans in der Kurve wäre dadurch freilich noch nicht geholfen. Eine Ajax-Arena läßt sich auch mit viel Geld nicht in das Olympiastadion hineinmodellieren. Der Tag, an dem die Fußballvereine den Olympiapark verlassen, ist also auch durch einen willfährigen Architekten und durch eine große Koalition im Stadtrat nicht aufzuhalten.

Am Mittwoch soll der Stadtrat in einem Anfall von Hysterie die Zerstörung des weltweit akzeptierten deutschen Friedenssymbols beschließen, nur weil der Stadt zwei internationale Fußballspiele verlorengehen könnten. Sollte Deutschland tatsächlich den Zuschlag für die WM 2006 bekommen, hat München immer noch genügend Zeit, um sich über seine Stadionpläne klar zu werden. Zuvor müssen aber erst alle Standort-Alternativen und Ausbau-Varianten diskutiert und geprüft werden.

Doch beim derzeitigen Blockadepakt der Stadt ist ein Aufschub nicht zu erwarten. Und da der oberste bayerische Denkmalpfleger, der im eigenen Land nur das Wort ergreift, wenn es um Neuschwanstein geht, sich in ein bombastisches Schweigen hüllt, der selbsternannte Umbau-Architekt aber offenbar zu jeder Mimikry bereit ist, mußte ein anderer stellvertretend seine Rechte einklagen. Fritz Auer, Träger des Großen BDA-Preises, im Olympiateam zuständig für die Form des Zeltdachs, hat sich seiner Verantwortung für das gemeinsam erarbeitete Ensemble entsonnen und beim Oberbürgermeister Einspruch gegen den überhasteten Umbau eingelegt. Auer hat sich damit ein Denkmal im Park verdient. Wenn Ude sich aber auch durch das Urheberrecht nicht bremsen läßt, wird es Zeit für eine Abstimmung im Stadion, für einen Volksentscheid. GOTTFRIED KNAPP

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